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Zur Entwicklungsmisere in der deutschen Luftwaffe 1939 - 1945

Die Klage über die nicht stattgefundene Ablösung der Typen in diesem Bereich ist häufig zu hören. Dabei findet sich die einzige beobachtbare Ablösung ausgerechnet hier, nämlich die der Dornier Do 17 durch die Do 217. Selbige hatte jedoch ihre Tücken. Sie brachte zwar gute Flug- und Tragleistungen, war aber schwierig zu fliegen, kostete viel Ausbildung [1] und erwies sich als gefährlich bei Notlandungen im Wasser [2]. Die Kombinaton aus verglaster Bugkanzel, die bei Wasserkontakt einbrach, und Schulterdecker-Bauweise ließ die Maschine schnell wegtauchen. Am schlimmsten erwies sich aber die Konkurrenz der Do 217 mit dem Jagdflugzeug Focke-Wulf Fw 190 um den Motor BMW 801 [3]. Der Einsatz der Fw 190 an allen drei Fronten erforderte eine umfangreiche Vorratshaltung an Austauschmotoren [4]. Und die Ausbringung des BMW-Motors ließ sich nicht steigern [5]. So blieb nichts übrig, als Junkers Ju 88 und Heinkel He 111, die den Motor Junkers Jumo 211 verwendeten, weiter in der Produktion zu halten. Die Ablösung des Jumo 211, der Jumo 213, ließ auf sich warten.

 

Als Zwischenlösung kam die Junkers Ju 188 ins Spiel, eine etwas abgewandelte Ju 88. Ohne Jumo 213 musste sie zunächst auch mit BMW 801 ausgestattet werden. Dabei konkurrierte sie nun aber nicht nur mit der Fw 190, sondern auch dem Schnell-bomber Ju 88 S um den BMW 801. Wesentlich bessere Flugleistungen als die Do 217 brachte die Ju 188 nicht [6], war aber einfacher und sicherer zu fliegen [7]. Ob nun die Ju 188 oder die Ju 88 S die bessere Maschine war, ließ sich schwer entschei- den. Die Ju 88 S war schneller, die Ju 188 dagegen in Reichweite und Höhenleistung besser.

 

Im Laufe der Diskussionen brach immer wieder typisch deutscher Ökonomismus durch, wie er sich auch heute noch häufig findet. Dass höhere Leistung höhere Kosten verursacht, wollte man nicht einsehen. Infolgedessen hielt man Bomber 'A' (den schweren Bomber) [8] und Bomber 'B' (siehe nächstes Kapitel) für unwirtschaftlich. Stattdessen stand das Konzept des Arbeitsbombers, aus dem man auch noch das Letzte herauszuholen versuchte, im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen. Dabei verwickelte man sich in nicht auflösbare Widersprüche. Etwa um die Reichweite der Ju 188 weiter zu steigern und mehr Tankkapazität unterzubringen, musste man den Rumpf verlängern. Zum Ausgleich waren die Flügel zu verlängern. Das kostete Geschwindigkeit, was mit höherer Triebwerksleistung ausgeglichen werden musste. Das ging nun wieder auf Kosten der Reich-weite [9].

 

Forderung nach höherer Geschwindigkeit überschnitten sich mit solchen nach besserer Bewaffung, etwa einem Heckwaffen-stand. Lustigerweise kam dann noch der Vorschlag, Ju 88 und 188 sollten ihre Motoren tauschen. Die Ju 88 mit BMW 801 sollte, leicht bewaffnet, im Westen eingesetzt werden, die schwerer bewaffnete Ju 188 mit Jumo 211 im Osten [10]. Insgesamt erwiesen sich die alten Typen an der Ostfront aber noch lange Zeit als brauchbar, sodass sich keine großartige Änderung ein-stellen sollte [11]. Zwischenzeitlich wurde sogar gefordert, auf die Ju 188 ganz zu verzichten, im Osten die alten Typen und im Westen Ju 88 mit BMW 801 einzusetzen [12].

 

Die Do 217 auslaufen zu lassen wurde immer wieder geplant [13] und noch vor dem allgemeinen Verzicht auf die Bomberfer-tigung auch im Frühjahr 1944 durchgeführt. Möglicherweise zu früh, denn Roderich Cescotti war mit seiner Do 217 M-11 zur Gelegenheit von Einsätzen gegen die westalliierten Invasionstruppen sehr zufrieden [14, Cescotti war allerdings auch ein beson-ders fähiger Pilot]. Die endgültige "Lösung" des Arbeitsbomberproblems stellte die Ju 388 dar, eine Ju 188 mit abgewandelter Kanzel und höhenfähigen BMW 801-Motoren, die sich in wenigen Versuchseinsätzen gut bewährte [15]. Wie bekannt ließ der Verzicht auf die Bomberfertigung aber auch für die Produktion dieses Musters keinen Raum mehr.

 

[1] Gerhard Hentschel, Die geheimen Konferenzen des Generalluftzeugmeisters, Bernard & Graefe Verlag, Koblenz 1989, S. 140f. [2] Ds., S. 139f.

[3] 430126 292 - 294, 430420 358 - 359

[4] 430430 212 [Aussage gilt sinngemäß für Do 217] [5] 430420 358 - 359

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[6] 430406 306 - 307

[7] Aussage [1] expressis verbis zur Ju 88 gilt sinngemäß für die Ju 188

 

 

 

 

 

 

 

[8] 430709 316 - 330

 

 

 

 

 

 

 

 

[9] 430716 310 - 316

 

 

 

 

 

 

[10] 430719 363 - 369

 

[11] 430709 316 - 330 359 - 363 zur Ju 88, 440505 121 - 134 zu He 111 und Do 217

[12] 430116 287 - 292

[13] 421123 283 - 284 43 430610 348 - 351 430630 086 - 088

[14] Roderich Cescotti, Langstreckenflug, NeunundzwanzigSechs Verlag, Moosburg 2012, S. 180ff, Kampfflugzeuge und Aufklärer, Bernard & Graefe Verlag, Koblenz 1989, S. 238.

[15] Wikipedia zur Ju 388.