Der Bomber "B" war als Ablösung der mittleren Maschinen Ju 88 und He 111 gedacht [1], die wir bereits im Vorkapitel diskutiert haben. Da er aber auch einen Sprung in eine Leistungsklasse darstellt, wie sie in keiner flugzeugentwickelnden Macht des Zweiten Weltkriegs erreicht wurde (höchstens die sowjetische Tupolew Tu-2 kam da annähernd heran) verdient er eine beson-dere Behandlung.
Erhöhte Leistung erfordert aber auch erhöhten Aufwand, was von den deutschen Ökonomisten nicht begriffen wurde. Mit dem erheblichen Entwicklungsaufwand ihres Beitrags Fw 191 wurde die Firma Focke-Wulf nicht fertig. Hans-Peter Dabrowski und Peter Achs haben dazu eine umfangreiche Schrift vorgelegt. Innerhalb von mehreren Jahren gelang es Focke-Wulf demnach nicht, die Fw 191 zur Einsatzreife zu bringen [2], wobei die häufig kolportierte Ursache der elektrischen Steuerung von beweglichen Flugzeugteilen nicht verantwortlich war [3].
Im Gegensatz dazu hatte die Firma Junkers mit ihrem Projekt Ju 288 auch unter widrigen Umständen Erfolg [4]. Die "glatte" Kombination der Maschine mit dem firmeneigenen Motor Jumo 222 musste infolge eines Intrigenspiels des RLM (dazu ausführlich Budraß {1}, [5]) aufgebrochen werden. Ob der Jumo 222 ein Erfolg geworden wäre, lässt sich im Nachhinein schwer entscheiden, es spricht jedoch sehr viel dafür, insbesondere, wenn man die für die deutsche Flugmotorenentwicklung und -fertigung veheerende Sparzuteilung von Nichteisenmetallen [6] zu ihren Gunsten umgesteuert hätte.
Aber Junkers musste die Ju 288 auf den Doppelmotor Daimler-Benz DB 610 umstellen [7], der bereits im schweren Bomber Heinkel He 177 eine schwierige "Karriere" hinter sich hatte (dazu das folgende Kapitel). Junkers-Chefingenieur Heinrich Hertel, der einerseits durch seine übertriebenen aerodynamischen Vorstellungen in seiner Zeit bei Heinkel für den Misserfolg der He 177 maßgeblich mit verantwortlich war, vermied diese Schwierigkeiten bei der Ju 288 tunlichst. Aber die Ju 288 konkurrierte nun mit der He 177 um eben diesen Doppelmotor. Ungeachtet der kompletten technisch-taktischen Unterschiedlichkeit der Maschinen hieß es nun, "eine Maschine mit Doppelmotor haben wir ja schon" [8] und "die Ju 288 hat ja leider noch den Doppel-motor" [9], obwohl das RLM die Alternative Jumo 222 bewusst zunichte gemacht hatte.
Milch sah den Bomber "B" jedenfalls als Missgeburt [10], auch wenn er sich zu anderen Gelegenheiten für den Bau der Maschine ausgesprochen hatte [11]. Obwohl Hertel auf die Überlegenheit der Ju 288 hingewiesen hatte [12], wurde diskutiert, dass man für 2 Ju 288 3 Ju 188 bauen konnte [13]. Der Beitrag von Dornier hingegen, die Do 317, wurde überhaupt nicht berücksichtigt, nachdem die Leistungsdifferenz zur vorhandenen Do 217 nicht sonderlich hoch war [14]. Dass nur wieder der Umstieg von der Do 217 auf die bauähnliche Do 317 besonders ökonomisch ausgefallen wäre, interessierte im RLM niemanden.
Noch bevor die Bomberfertigung ganz gestrichen wurde, gab es bereits im Frühjahr 1944 für die Ju 288 keine Zukunft, ebenso wurde die Do 217 ersatzlos abgesetzt. Auch anstelle des Bombers "B" wurde die Ju 388 ausgewählt [15]. Die, wie wir bereits sahen, wenig später der Absetzung des gesamten Bomberprogramms (abgesehen vom Schnellbomber) zum Opfer fiel.
[1] Hans-Peter Dabrowski und Peter Achs, Focke-Wulf Fw 191 >>Kampfflugzeug<< und das Bomber B-Programm, Stedinger Verlag, Lemwerder 2011, S. 6.
[2] Ds, S. 79 (Schlussfolgerung), weitere Details im Verlauf. [3] Ds, S. 48.
[4] Ds, S. 300 (interpretiert aus dem bevor-stehenden Serienanlauf der Maschine).
[5] Budraß {1}, S. 727f.
[6] Calum E. Douglas, Das PS-Rennen, Motorbuch Verlag, ohne Orts- und Datumsangabe (~2020), S. 96, 124, 141, 169, 227 und insbesondere 261ff. [7] Dabrowski + Achs, S. 295.
[8] Ds, S. 300.
[13] 420630 277 - 279 (ohne genaue Beachtung der zeitlichen Abfolge).
[15] 440103 239 "Ju 288 nicht entscheidend", 440430 156 - 157 Bau Ju 388 laut Plan ab September 1944.