Dem Kommandeur der Entwicklungsstellen Oberst Edgar Petersen kann man mit Sicherheit keine Inkompetenz vorwerfen. War er es doch, der die He 177 zu ihrem begrenzten, aber vorhandenen Erfolg geführt hat [1]. Im Fall der Messerschmitt-Maschinen Me 261 und 264 fällt Petersen jedoch negativ auf. Als Flugzeugexperte musste er wissen, dass man jedwedes Flugzeug hätte mit selbstschließenden Tanks ausstatten können, auch die Me 261. Aber er bringt zu einer Gelegenheit vor, dass man die Me 261 mangels Tankschutz nicht einsetzen könnte [2]. Zu einer anderen Gelegenheit führt Messerschmitt aus, dass die Me 261 nur mangelhaften Tankschutz gehabt hätte, weil sie ja sowieso nicht eingesetzt werden sollte [3]. Der anwesende Petersen widersprach nicht. Vor seiner Zeit als Chef der Entwicklungsstellen war Petersen Aufklärer- und Fernbomberkommandant ge-wesen [4]. Dass er das Potenzial einer Maschine mit 600 km/h Höchstgeschwindigkeit und 10.000 km Reichweite nicht erkannt haben soll, erschließt sich nicht (für eine in der Literatur häufig anzutreffende Behauptung, die Me 261 wäre versuschsweise als Fernaufklärer eingesetzt worden, fanden sich keinerlei Belege.)
Die Me 264 fand er zunächst interessant [5], und lehnte sie dann ab, indem er Milchs absurde Argumentation der großen Start-längen übernahm [6]. Dass diese sich mit den für die Me 264 vorgesehenen stärkeren Motoren verkürzt hätten, unterschlug er. Welche Motive Petersen gehabt haben mag, erschließt sich nicht. Womöglich hat er Heinkel bevorzugt, um seine eigene Leist-ung nicht zu schmälern (s.o. [1]). Die Me 261 hätte mit der He 177 A um die Doppelmotoren konkurriert, die Me 264 mit der von Petersen gepriesenen He 177 B [7] um die Bomberbau-Kapazität.
Der junge, als dynamisch eingeschätze [8] General der Kampfflieger Generalmajor Dietrich Peltz scheint dagegen seinem Job nicht gewachsen gewesen zu sein. Natürlich kann man Peltz nicht vorwerfen, dass er seine Arbeit gemacht hat. Aber in seiner Rolle als "Angriffsführer England" geht er etwas zu sehr auf. In der Person von Peltz wird das Konzept des Vorrangs des zwei-motorigen mittlerern über der viermotorigen schweren Bomber, das bereits vor dem Krieg galt, praktisch bis zum Exzess getrie-ben [9]. Das angesichts der Erfolge der schweren westalliierten Maschinen, und der Tatsache, dass Göring nach eigener Aussa-ge darüber grün vor Neid wurde [10].
Sich mit kriegswirtschaftlichen Problemen zu befassen lag außerhalb von Peltzens Kompetenz [11]. Im Gegensatz zu der von ihm vertretenen unsinnigen Sparpolitik, deren Ergebnis der leichter zu fertigende zweimotorige Bomber war, hätte er den schwe-ren Bomber fordern können und müssen. Galland beschuldigt Peltz zu allem Überfluss, den Jagdfliegern bereitwillig die Me 262 weggenommen zu haben [12] und für den Todesstoß gegen die deutsche Jägerwaffe, dass Unternehmen "Bodenplatte", mit- und hauptverantwortlich zu zeichnen [13].
[1] Siehe hierzu Kapitel "Schwerer Bomber".
[4] Petersen war zu Kriegsbeginn Kapitän der Fernaufklärungsstaffel Ob.d.L., dann im auf Fernaufträge spezialisierten KG 40 Staffel- kapitän, Gruppenkommandeur und schließ- lich Geschwaderkommore.
[6] RM-Konferenz vom 14.10.1943 S. 6251.
[8] Neitzel, S. 159.
[10] Budraß {1}, S. 855.
[11] Was ihn nicht hinderte, sich einzumi-schen, 431005 213 - 221.
[12] Toliver/Constable, Adolf Galland, F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, Mün-chen und Berlin 1992, S. 260.
[13] ds., S. 278f.